Der von Michael Mann verfilmte Kurztrip durch das Leben von John Dillinger entpuppt sich als zweischneidiges Schwert. PUBLIC ENEMIES steigt quasi zur spannendsten Stelle von Dillingers Leben ein und endet mit seinem Tod. Historisch in vielerlei Hinsicht dicht am tatsächlichen Verlauf der Dinge, will aber die eigentliche Geschichte nicht so sehr in den Vordergrund treten und begeistern.
John Dillinger ist ein Bankräuber. Durch spektakuläre Gefängnisausbrüche und die Tatsache, dass er nicht das Geld der Kunden nimmt, sondern lediglich die Tresore der Banken ausraubt, die zu diesem Zeitpunkt das Bild der Rezession deutlich mitgeprägt haben, lässt ihn in der Öffentlichkeit schnell zu einem modernen Robin Hood werden. Sein Erfolg und die Skrupellosigkeit seiner Komplizen hat hingegen zur Folge, dass die Behörde unter der Leitung von J. Edgar Hoover, die später einmal das FBI sein wird, ihn zum ersten Staatsfeind Nr. 1 erklärt und ein Kopfgeld in Höhe von 25.000 $ auf ihn aussetzt (zum Vergleich: heutzutage stehen da Leute wie Usama Bin Laden und einem Kopfgeld von 25 Mio $).
Dillinger denkt von sich selbst, dass er schlauer als Polizei und sonstige Ermittlungsbehörden ist, erkennt allerdings auch, dass ihn die Brutalität, mit der seine Bandenmitglieder wie beispielsweise Baby Face Nelson vorgehen, früher oder später zum Problem werden könnten. Ausserdem hat er durch seine Liebe zu Billie Frechette eine Schwachstelle, denn die Ermittler wissen genau, dass sie nur Billie beschatten müssen, um früher oder später an Dillinger zu gelangen. Doch nicht durch die Ermittlungsmethoden von FBI oder Polizei, noch durch seine brutalen Kameraden endet die kriminelle Karriere von Dillinger am 22. Juli 1934, sondern durch Verrat. Dillinger wird vor einem Kino von den Ermittlungsbeamten erschossen, nachdem seine Bekannte Ana Cumpanas ihn als Gegenleistung für den Schutz vor der Einwanderungsbehörde ans Messer liefert.
Keine Frage, die Besetzung des Streifens ist super… Ein wenig skeptisch war ich in Bezug auf Johnny Depp in der Hauptrolle des John Dillinger, zu schwierig befürchtete ich die Umstellung von Pirat zu Bankräuber. Erfreulicherweise gibt es aber im gesamten Film keinerlei Jack Sparrow zu sehen, dafür umso mehr Johnny Depp. Unerfreulich dabei: einen richtigen John Dillinger sehen wir auch nicht, sondern eben Depp, der bemüht ist, wie Dillinger zu wirken, leider aber nur mit mittelmäßig überzeugenden Qualitäten. Aber auch Christian Bale als leitender Ermittler Melvin Purvis bleibt insgesamt etwas blass.
Und genau darin liegt auch das große Problem des Films: kann man sich mit den kleinen Anpassungen der Handlung, um das ganze Geschehen ein wenig kinoreifer zu gestalten noch sehr gut anfreunden, betrachtet man begeistert die Filmkulissen, Requisiten und Kostümbild, umso schmerzlicher erkennt man die fehlenden Charakterzeichnungen im Drehbuch. Die Herrschaften machen ihre Sache im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zwar recht gut, aber insgesamt bleibt doch sehr viel vom Hintergrund der Handlungen einzelner Personen verschwommen, die Beweggründe und Motivationen sind häufig unklar, und man kann nicht immer genau ergründen, mit wem Dillinger sympathisiert und wen er eher weniger gut leiden kann. Zusätzlich hat der Film im mittleren Drittel ein paar Längen, die man hätte vermeiden können.
PUBLIC ENEMIES bietet überwiegend spannende Unterhaltung, die allerdings auch ein paar Schwachpunkte hat und somit nicht zu dem erhofften bzw. erwarteten Hammerfilm aufblühen kann. Die Besetzung mit Johnny Depp, Christian Bale, etc. ist hochkarätig, die Produktion bietet ein sauberes Bild und satten Klang (vor allem in den Verfolgungsszenen in den Autos), alles in allem hatte ich mir aber ein wenig mehr vom Film versprochen.
Ein letzter Punkt noch: wieder einmal kann ich über die FSK nur den Kopf schütteln. Wo mancher Streifen unverständlicher Weise eine FSK18 oder vielleicht sogar keine Freigabe erhält, kann hier, in einer Hollywood-Hochglanzproduktion, dem Hauptdarsteller rücklings in den Kopf geschossen werden, die Kamera hält noch auf den am Boden liegenden sterbenden Dillinger, aus der Austrittswunde sickert mitten im Gesicht das Blut, und doch darf man sich dies laut Plakette bereits mit 12 anschauen? Das ist nur eine von vielen recht brutalen Szenen, da bleibt bei mir nur Unverständnis…