Mit DRIVER: SAN FRANCISCO setzt Ubisoft inhaltlich beim letzten Teil der Serie an. Ihr spielt John Tanner, der vor gar nicht allzu langer Zeit den Schwerverbrecher Charles Jericho eingelocht hat. Doch bei einem Gefangenentransport kann sich Jericho losreißen, und bei der Verfolgung wird Tanner in einem Verkehrsunfall schwer verletzt… Keine guten Zeichen, um ein Spiel zu beginnen, oder?
DRIVER: SAN FRANCISCO geht weiter, als man es bislang gekannt hat. Mit einem kleinen Kniff windet man sich aus dem Story- und Spielmodus-Trott: Tanner liegt nämlich im Koma, und alles, was ihr erlebt, ist eher ein Traum. Dies ermöglicht es ihm auch, von einem Fahrzeug zum nächsten zu wechseln und in den Körper des Fahrers zu schlüpfen. Das wird hier liebevoll Shifting genannt und erinnert irgendwie stark an die 80er-Jahre-Serie „Zurück in die Vergangenheit“. Denn ähnlich wie dort, werdet ihr mitten in Situationen hineinkatapultiert, in denen ihr am liebsten mit den Worten „Au, Backe“ erst einmal gucken wollen würdet, was los ist. Ein Streitgespräch zwischen euch und eurer Partnerin, als Rettungswagenfahrer, der einen Notfall hinten an Bord hat, etc.
Natürlich könnt ihr das Shifting auch verwenden, um einer Verfolgungsjagd ein schnelles Ende zu setzen, indem ihr einfach vor das zu verfolgende Auto shiftet und einen LKW oder ähnliches quer stellt.
Die offene Welt von DRIVER: SAN FRANCISCO ist im eigentlichen Sinne eine kleine Mogelpackung. Wir können uns zwar frei bewegen und haben jede Menge optionale Aufgaben, die es zu lösen gilt, sei es Verbrecherjagd mit Polizeiautos, Fahreraufgaben wie unfallfreie Fahrten im Gegenverkehr, Zeitrennen, Sprungaufgaben (bietet sich bei den Straßen von San Francisco auch an) oder normale Rennen, können in Garagen neue Autos kaufen usw., aber die eigentlichen Storymissionen werden erst nach und nach frei geschaltet, sodass wir dennoch nicht gänzlich frei entscheiden können, was wir wann tun. Im Spiel sind mehrere Sammelobjekte versteckt, die euch zusätzliche Möglichkeiten eröffnen (wenn ihr zum Beispiel genug Filmrollen gesammelt habt, könnt ihr klassische Film-Verfolgungsszenen nachspielen, z.B. mit dem Bus aus „Speed“ durch die Straßen brettern, ohne unter eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit zu geraten).
Grafisch ist das Spiel ein etwas zweischneidiges Schwert. Die Fahrzeuge selbst sehen echt schick aus und bieten jeweils vier Kameraperspektiven (u.a. auch Cockpit-Sicht), die Stadt hat viel Leben, dafür aber sind die Häuserfassaden sehr stereotyp und einfach gestaltet. Nicht, dass man sich großartig auf die Umgebungsgrafik konzentrieren würde, wenn man mit Volldampf durch die Straßen heizt, nichtsdestotrotz guckt man ab und zu mal hin. In den Videosequenzen bewegt man sich auf einem durchschnittlichen Level.
Wo etwas mehr Abwechslung gut getan hätte, ist in der Fahrzeugvielfalt, die sich durch die Straßen von San Francisco bewegt. Hier hat man häufiger das Gefühl, immer wieder in den gleichen Autos beim Shifting zu landen. Und eine für San Francisco absolut typische Sache wurde schlicht und ergreifend vergessen: Zwar gibt es Schienen, aber nicht eine einzige Straßenbahn zieht sich durch die Stadt. Schade.
Klanglich macht das Spiel dafür wieder einiges gut. Die Sprecher wirken überzeugend, nicht zuletzt durch die großartige Arbeit von Martin Kessler und David Nathan (wer regelmäßig unsere Hörspiel-Rezensionen verfolgt oder bei großen Filmen auf die Synchronsprecherliste schaut, dürfte mit den Namen etwas anfangen können), die Motorensounds sind akzeptabel.
Die Steuerung des Spiels funktioniert auch hervorragend, auch wenn anfänglich das Shifting ein wenig knifflig erscheint: ihr habt ganz schnell den Dreh raus und werdet es lieben.
Alles in allem macht DRIVER: SAN FRANCISCO unglaublich viel Spaß, und wer dachte, dass die Shift-Funktion in dem Spiel irgendwie fehl am Platz wäre, der irrt gewaltig. Das System wurde so implementiert, dass man eigentlich nicht darauf verzichten kann (und später auch gar nicht mehr verzichten will), ohne dass die Story deswegen völlig unglaubwürdig werden würde. Auch, wenn man erst nach und nach mitbekommt, was genau mit John Tanner eigentlich los ist, so mag man sich anfänglich vielleicht denken „Wer weiß, da haben die Macher vielleicht ein bisschen zu viel ‚4400’ oder ‚Heroes’ geschaut?!?“ , und schon passt alles wieder. Denn gerade das ist es, was bei dem Spiel den Hauptreiz ausmacht und es von vielen anderen Open-World-Rennspielen abhebt.
Fast hätte ich es vergessen: die Shift-Funktion findet sich auch im Multiplayer-Modus wieder, der dadurch unglaublich viele Spielmodi ermöglicht und entsprechend ein völlig anderes Rennspielerlebnis bietet, als so manches Burnout, Need for speed und Co.. Zugegeben: mit fahrerischem Können hat das in mancher Situation dann nicht mehr sehr viel zu tun, sondern vielmehr mit klugem Taktieren, aber das steht auf einer ganz anderen Seite…
Viel Spaß mit DRIVER: SAN FRANCISCO, und eine Bitte an Ubisoft Reflections: beim nächsten Update bitte die CableCars nachreichen, danke!