Lange waren wir kritisch, lange waren wir skeptisch, was das Reboot zu TOMB RAIDER betrifft. All unsere Bedenken wurden binnen weniger Minuten des Spiels bei Seite gewischt: TOMB RAIDER ist jetzt schon eines der besten Spiele des Jahres! Ja, die Ausrichtung ist eine andere, als wir das von früheren Abenteuern von Lara Croft kennen, und ja, auch in diesem Spiel befinden sich Dinge, die man besser hätte machen können, aber gibt es das nicht überall? Unser Abenteuer mit Lara hat uns ungemein gefesselt, wie es kaum ein anderes in letzter Zeit geschafft hat.
Das Drachen-Dreieck, so etwas wie das Bermuda-Dreieck Japans… Genau hierhin verschlägt es die noch sehr junge, unerfahrene Lara Croft mit einer Expeditionsgruppe, als sie in einen furchtbaren Sturm geraten, der das Schiff in der Mitte zerbrechen lässt und die Besatzung am Strand einer Insel ausspuckt. Doch kaum ist Lara wieder zu sich gekommen, wird sie auch schon wieder bewusstlos geschlagen! Die Insel ist tatsächlich bewohnt, aber die Bewohner sind alles andere als freundlich: als Lara das nächste Mal zu sich kommt, ist sie gut verschnürt kopfüber unter die Decke einer Höhle gehängt worden. Dies ist der Beginn einer spannenden Geschichte, in der Lara ein ums andere Mal um ihr Überleben kämpfen muss, sich aus gefährlichen Situationen rettet, ihre Flucht von der Insel vorbereitet und nicht zuletzt auch den anderen Besatzungsmitgliedern zur Seite steht, um sie aus den Klauen der Kultisten zu befreien…
Wer bei TOMB RAIDER zuerst an knifflige Rätsel, Sprungpassagen und das Erforschen verlassener Tempelanlagen und Grabstätten denkt, der wird sicherlich enttäuscht werden. Lara Croft hat sich eine Menge bei Nathan Drake abgeschaut, sodass ihr es recht bald mit einem soliden 3rd Person Shooter zu tun bekommt. Ist das nun negativ? Puristen werden dies sicherlich verächtlich betrachten und Lara ab sofort den Rücken zukehren wollen. Wer sich aber damit anfreunden kann, dass das Spiel einen völlig neuen Ansatz erhält, findet ein fast perfektes Spiel vor. Sämtliche Mechaniken funktionieren perfekt, nicht nur die Kampf-Optionen mit einem automatischen Deckungssystem, Nahkampf, Ablenkungsmöglichkeiten und Finishern, sondern auch die Kletterpassagen, der Einsatz von Feuer und dergleichen.
Wie wird nun aus einer Archäologin eine Killermaschine? Hier ist einer der wenigen Kritikpunkte an TOMB RAIDER: es geht viel zu schnell. Zunächst muss sich Lara, die per Zufall einen Bogen mit Pfeilen gefunden hat, etwas zu essen besorgen, um wieder zu Kräften zu kommen. Okay, die Story sorgt dafür, dass Lara zur Jägerin wird, aber ein Tier zu töten fällt ihr ausgesprochen… ja was denn nun? Spielerisch fällt es ihr ungemein leicht: Bogen anlegen, zielen, schießen! Doch kaum habt ihr das erste Reh erlegt, hockt sich Lara daneben und entschuldigt sich beim toten Tier für ihre Tat. Wenig später gerät sie in eine Situation, wo es um Leben und Tod geht, und auch hier fällt es ihr schwer, sich durch einen Befreiungsschuss selbst zu schützen. Doch von dem Moment an ist Lara ein Killer! Plötzlich und unerwartet hat sie keinerlei moralische Bedenken mehr, sich die Kultisten vom Leib zu halten, und auch, wenn eine Möglichkeit bestünde, einfach an diesen vorbei zu schleichen, ist es im Endeffekt einfacher, sie gleich aus dem Weg zu räumen.
Fast hätten wir einen weiteren Kritikpunkt übersprungen. Die Jagd nach Rehen etc. wird zwar im weiteren Spielverlauf mit Erfahrungspunkten und Baumaterial belohnt, für Laras Gesundheit ist aber nur in diesem Moment die Jagd wichtig, ansonsten regeneriert sie auch so, wenn sie nur kurz zur Ruhe kommt. Ein weiteres Mal muss sie dann einen Verbandskasten suchen, der ihr Story-bedingt aufgezwungen wird…
Es gibt jede Menge zu sammeln auf der Insel, von Geocaches über Trümmerkisten, Waffen-Upgrades, Schätzen, Notizen, sogar die Tier-Abschüsse werden gezählt und helfen euch zu Erfolgen. Zudem gibt es versteckte Grabkammern, in denen ihr dann Rätsel zu knacken bekommt. Es gibt also sehr viel auf der Insel zu entdecken…
Die Story ansonsten? Top! Spannend! Abwechslungs- und wendungsreich! Rätsel? Gibt es auch ein paar, die auch mal recht knifflig werden können. Grafik? Eine Pracht! Sound? Großartig, insbesondere auch durch die schon vielfach gelobte Synchronisation durch Nora Tschirner in der Rolle der Lara Croft. Das, was das Spiel aber besonders auszeichnet, ist die permanent spannende Atmosphäre. Auch, wenn ihr ganz klar und deutlich merkt, dass es gerade eine ruhige Passage ist, in der nichts passieren sollte, müsst ihr mit allem rechnen. Man denke hierbei an ein Resident Evil 4 oder 5, allerdings ohne Zombies und Mutationen.
Ebenfalls brauchbar, allerdings im Vergleich zur Story eher unwichtig, ist ein Multiplayer-Part, der mit vier unterschiedlichen Modi aufwartet: ein klassisches Team-Deathmatch, ein „Rettung“ getaufter Modus, bei dem es gilt, als Überlebender Medikits in die eigene Zone zu bringen, wohingegen die Inselbewohner das andere Team davon abhalten müssen. Wer das Medikit trägt, kann nicht schießen, zudem entfallen Kletter- und Rutschoptionen, und wer zu tief springt, verliert das Paket auch mal. In „Schrei um Hilfe“ geht es darum, als Überlebender drei Funktürme wieder in Gang zu bringen, die Bewohner verhindern dieses wieder. In „Freier Wettbewerb“ handelt es sich im engeren Sinne um ein Deathmatch, bei dem man allerdings erst wieder ins Spiel kommt, wenn derjenige, der einen eliminiert hat, ebenfalls eliminiert wurde. Natürlich gibt es auch in TOMB RAIDERS Multiplayer-Modus ein Rangsystem, mit dem man nach und nach Modelle und Waffen freischalten kann.
Wer auch immer über dieses Spiel jammern will, kann es gerne tun: in unseren Augen ist dies maximal Jammern auf hohem Niveau, oder aber man hat nicht begriffen, dass TOMB RAIDER nicht wie die vorherigen Lara Croft-Abenteuer werden sollte. Wie bereits gesagt: wir sind uns sicher, dass wir TOMB RAIDER bei diversen Spiel-des-Jahres-Abstimmungen recht weit vorne wiedersehen werden.