Nachdem uns „Call of Juarez – The Cartel“ nur bedingt begeistern konnte mit seinem modernen Ansatz, hatten viele die Spielserie bereits abgeschrieben. Ubisoft selbst scheint sich mit CALL OF JUAREZ: GUNSLINGER nicht ganz so sicher gewesen zu sein, und hat deswegen einen Arcade-Titel mit Download-Vertrieb daraus gemacht. Das Todesurteil für die Serie? Oder eher der Neuanfang im bescheidenen Rahmen? Lest selbst…
CALL OF JUAREZ: GUNSLINGER spielt wieder im Wilden Westen. Das Drogenkartell hat nicht zünden wollen beim Publikum, und so geht man wieder einen Schritt zurück und besinnt sich auf alte Tugenden. Irgendwie aber auch nicht. Wo beim Ursprung der Serie alles mit einer bestimmten Ernsthaftigkeit betrachtet wurde, greift GUNSLINGER eher auf einen ironischen Unterton mit jeder Menge Humor im Spiel zurück. Eine Western-Satire? Möglich. Aber worum geht es genau?
Ihr seid SilasGreaves, ein Kopfgeldjäger, der im Wilden Westen gefürchtet ist, hat er doch so ziemlich jeden berühmten Schurken getroffen und überlebt, hat mit den großen Western-Helden Seite an Seite gekämpft. Und so überrascht es auch nicht, immer mal wieder auf bekannte Namen im Spiel zu stoßen wie Jesse James, Butch Cassidy oder Billy The Kid. Sicherlich hat hierzulande jeder die Namen irgendwie schon einmal gehört, kann aber wohl den meisten Figuren keine Geschichte zuweisen. Das ist aber für GUNSLINGER auch nicht zwingend notwendig, denn: ihr spielt die Hauptfigur in einer Nacherzählung. Häh? Ja, genau. SilasGreaves sitzt in einem Saloon und soll über seine Heldentaten berichten, und Silas ist ein sehr kreativer Geschichtenerzähler. Genau hier beginnt GUNSLINGER, saulustig zu werden, sich selbst nicht mehr ernst zu nehmen und euch dadurch enorm zu unterhalten.
Ihr spielt also das Geschehen nach, wie es sich zugetragen haben soll. Da Silas aber wie bereits erwähnt recht kreativ ist, kann es durchaus passieren, dass ihr in einer Szene ein Duell bestreitet, euren Gegner besiegt, und Silas dann sagt „So wäre es wohl abgelaufen, wenn nicht vorher…“, und schon spielt ihr die Szene noch einmal, diesmal jedoch mit ebenjener hier nicht genannten Änderung. Immer wieder berichtigt Silas das, was er gerade erzählt hat, und zwingt somit euch, den Erzählungs-Silas noch einmal eine Situation zu durchleben, die ihr eben vielleicht gelöst habt. An anderer Stelle drückt die Blase, und die Erzählung steckt für einen Augenblick in einer Dauerschleife, weil Silas erst wieder an seinem Platz am Tresen ankommen muss, um weiterzuerzählen.
Technische Einbußen muss der Titel nicht hinnehmen (auch wenn er halt nicht wie ein zweites Call OfDuty aussieht). Das Spiel selbst hat einen actionreichen Arcade-Charakter, bei dem ihr für Serien besondere Belohnungen erhaltet. Sehr gut gelungen sind die Duelle mit Bossgegnern, bei denen ein kleines, äußerst interessant gestaltetes Quicktime-Event für Spannung sorgt. Ansonsten ist hier die Devise „Schieß auf alles, was sich bewegt, und schieß schneller als der Gegner“ oberstes Gebot und lässt eigentlich vermuten, dass GUNSLINGER langweilig wird. Wäre da nicht die Erzählebene, die immer wieder kurze Hinweise fallen lässt, die man als „verbale Wegweiser“ betrachten kann. Auf den Gedanken „dies scheint der richtige Ort für einen Hinterhalt zu sein“ bewegen wir uns automatisch vorsichtiger und gucken uns um, nur um dann genau in diesem Hinterhalt zu stehen, der gerade noch angedeutet wurde. Damit nimmt der Erzähler direkt Einfluss auf das, was wir tun. Manipulativ? Vielleicht, aber wie bereits erwähnt: unglaublich lustig.
CALL OF JUAREZ: GUNSLINGER hat von der ersten bis zur letzten Sekunde unterhalten, auch wenn es teilweise ein wenig nervig war, die immer wieder auftauchenden Gegner niederzuschießen. Hätte man auch hier noch ein wenig Abwechslung ins Gameplay gebracht, hätte dies einer der unterhaltsamsten Shooter der letzten Jahre werden können. So punktet das Spiel in erster Linie durch seinen Charme, Witz und den intelligenten, teilweise sehr selbstironischen Humor. Gerne mehr davon!