Dass wir aus Skandinavien richtige Kracher in Sachen Thriller erwarten dürfen, ist nicht erst seit der Millenium-Trilogie bekannt. Mit ERBARMEN liegt ein weiteres schwedisches Schwergewicht vor, das nach der Vorlage des Bestsellers von Jussi Adler-Olsen gedreht wurde. Die Geschichte startet zunächst recht uninspiriert und belanglos, bekommt dann aber einen ganz anderen Anstrich und wendet sich zu einem der perfidesten Fälle, der mir auf den Bildschirm gekommen ist.
Carl Morcks (Nikolaj Lie Kaas) letzter Einsatz ist gehörig schief gelaufen. Nach einem Zugriff ist er der einzige überlebende Polizist, und infolgedessen wird er dienstlich aufs Abstellgleis geschoben. Im Sonderdezernat Q soll er zusammen mit Asad (Fares Fares) ungelöste Fälle im Archiv als abgeschlossen deklarieren und ausmustern. Doch Carl ist anders gestrickt, als es die Vorgesetzten eigentlich von ihm erwarten. Anstatt nun langweiligen Innendienst zu schieben und sich nur noch um die Akten zu kümmern, schnuppert Carl tiefer in diesen Akten und wird auch schon bald fündig bei einem vermeintlichen Selbstmord der Politikerin Merete Lynggaard (Sonja Richter). Mehrere Zeugenaussagen sowie das Verhalten der verschwundenen Frau lassen darauf schließen, dass es sich hier nicht um einen Selbstmord gehandelt hat, zumal es auch keine Leiche gibt, sondern Merete einfach nur auf einer Fähre spurlos verschwunden ist und seitdem nicht mehr aufgetaucht ist…
Wir als Zuschauer erfahren schon deutlich eher, was Merete Lynggaard widerfahren ist und was sie seit ihrem Verschwinden erdulden musste. Irgendwie erinnert das ein wenig an den Film „Old Man“, aber irgendwie auch nicht. Ebenfalls kommt einem „Saw“ in den Sinn, alles in allem ist das aber doch etwas Eigenständiges.
Das Duo Nikolaj Lie Kaas und Fares Fares passt prima zusammen, die beiden machen schauspielerisch wirklich eine gute Figur und lassen ihre Charaktere glaubwürdig erscheinen.
Die Spannung, die hier im Film erzeugt wird, ist enorm. Durch unser Wissen, dass für Lynggaard die Zeit läuft, hoffen wir permanent inständig, dass die beiden Sonderermittler mit ihren Nachforschungen schneller ans Ziel geraten. Zudem haben wir zusätzliche Hintergrundinformationen und können somit gewisse Zusammenhänge eher erkennen, als es den Polizisten möglich ist. Dadurch sind wir als Zuschauer mit unseren Ermittlungen und Ideen den Polizisten immer einen Schritt voraus und warten gebannt darauf, neue Hinweise zu erhalten.
ERBARMEN ist wieder einmal ein richtig toll gemachter Thriller, der quasi gänzlich ohne Actionszenen auskommt, und dabei aber trotzdem nicht eine Sekunde langweilig wird. Wer auf o.g. Millenium-Trilogie steht, der macht hier definitiv nichts verkehrt.