Gebückt huschen wir durch das Dickicht, die Nase nur ganz leicht oberhalb der Grasnarbe. Hoffentlich werden wir nicht erblickt, denn sobald wir in kurze Distanz geraten, sind wir eher schlecht ausgerüstet. Wir sind ein Sniper- ein Scharfschütze…
Klingt spannend? SNIPER: GHOST WARRIOR 2 bietet euch im Kern genau dieses Spielprinzip: schleicht euch zu einem Punkt, von dem aus ihr eine gute Übersicht habt, aber nur schwer entdeckt werden könnt, schaltet möglichst unbemerkt die Gegner aus, und bewegt euch dann zum nächsten Punkt, von dem aus ihr das Spielchen wiederholt. Grundsätzlich ist dies durchaus reizvoll, wären da nicht ein paar grundlegende Hilfen, die das Spiel ad absurdum führen und aus einem spannenden, taktisch geprägten Spiel ein simples Point&Click-Adventure machen. Auf euren Missionen werdet ihr generell geleitet, entweder per Funk oder direkt durch einen Spotter, der euch begleitet. Das entspricht zwar den tatsächlichen Vorgehensweisen eines Sniper-Teams, macht es für euch aber überflüssig, nachzudenken, wie ihr wohl am geschicktesten vorgeht. Der Spotter sagt euch die Reihenfolge eurer Ziele an, und ihr müsst dann lediglich die Befehle ausführen. Wer jetzt glaubt, dass SNIPER: GHOST WARRIOR 2 Rücksicht auf Entfernung, Wind etc. nehmen würde, liegt bedingt richtig. Ballistische Grundzüge werden zwar vorausgesetzt und ihr müsst mit dem Fadenkreuz entsprechend höher und ggf. etwas vor die tatsächliche Position halten, aber das wird euch durch einen kleinen roten Punkt, der die Einschlagstelle des Projektils darstellt, übertrieben einfach gemacht: ignoriert das Fadenkreuz und schaut nur auf den roten Punkt. Bingo! Andererseits: wäre ich ein geschulter Scharfschütze, der genau weiß, wo er hinzielen muss, ohne einen roten Hilfepunkt angezeigt zu bekommen, würde ich wohl nicht Videospiele spielen. Zudem ist diese Hilfe auch abschaltbar. Also, was soll´s. Gelegentlich müsst ihr nicht auf gegnerische Einheiten schießen, sondern diese durch Schüsse auf Generatoren, Funkgeräte, Tanks oder Fahrzeuge ablenken oder einem Einsatzteam Rückendeckung geben, das Vordringen ermöglichen etc…
Programmiert auf der CryEngine 3, macht SNIPER: GHOST WARRIOR 2 einen soliden Eindruck, ein zweites Crysis 3 dürft ihr allerdings nicht erwarten. Auch klanglich ist der Titel gut gelungen, auch wenn die Übersetzungsarbeit an manchen Stellen leichte Schwächen zeigt und auch die Sprecher durchaus mehr Elan an den Tag hätten legen können. In Verbindung mit dem eigentlichen Spiel macht dies allerdings nicht allzu viel aus.
Auch SNIPER: GHOST WARRIOR 2 bietet, wie mittlerweile fast jeder Shooter, einen eigenständigen Multiplayer-Modus, hier stellt sich allerdings die Frage nach dem Sinn des Ganzen, denn in der Regel verliert der, der sich als erstes bewegt. Wenn bis zu 12 Leute irgendwo auf der Lauer liegen und abwarten, dass irgendwas passiert, ist recht schnell klar, dass dabei kaum Spannung aufkommen kann. Das hätte man sich also genauso gut sparen können.
Alles in allem macht SNIPER: GHOST WARRIOR 2 durchaus Spaß, hat aber an vielen Ecken Teile seines großartigen Potentials verspielt, somit leider nur leicht über Durchschnittskost, statt taktischer Delikatesse.